Die „Es-war-schon-immer-so-Falle“
Wie die „Wir-meinen-es-ja-nur-gut-Falle" bewirkt auch die „Es-war-schon-immer-so-Falle", dass die jüngere Generation nicht ihr eigenes Leben aufbaut und gestaltet, sondern in kleinem oder grösserem Ausmass nach den Regeln der älteren Generation lebt. Auch hier handelt es sich um Eingriffe der älteren Generation auf das Territorium der jüngeren Generation, die – sogenannt – nicht der Rede wert sind. Und wegen solchen Kleinigkeiten will die jüngere Generation doch den Frieden im Haus nicht gefährden!!?
Jedoch: viele Kleinigkeiten können sehr bald zu einer „grossen Anpasserei“ führen.
- Frieda kauft im ersten Frühling nach der Heirat von Marcel und Regula - ohne zu fragen – für die Blumenkistchen, die sich vor Marcels und Regulas Wohnung befinden, weisse und rosa Hängegeranien. Sie übernimmt es auch, die Erde für die Blumenkistchen zu mischen. Regula muss die Geranien nur noch bezahlen und einsetzen … unter Umständen werden die Geranien von Frieda und Ernst sogar noch in die Kistchen gesetzt. So geht es Jahr um Jahr - Regula fragt sich gar nie, ob sie überhaupt Geranien vor den Fenstern haben will, ob sie überhaupt noch Blumenkistchen vor ihren Fenstern will. Es war ja schliesslich einfach schon immer so …
- Ernst putzt jeden Sonntagmorgen die Hufe von Regulas Pferd, er fettet sie auch noch sorgfältig ein. - Regula ist zwar überzeugte Freizeitreiterin und käme ohne jegliches Huffett aus …. aber Ernst war schliesslich bei den Dragonern und er weiss deshalb bestens, was sich in Bezug auf Pferdehufe gehört.
- Jeden Samstagmorgen um neun Uhr wird der Hausplatz gewischt … und zwar von Ernst. Das war schon immer so, seit vielen Jahren. Das haben schon sein Vater und sein Grossvater so gemacht. Eigentlich wäre es ja zwar gar nicht nötig gewesen, den Hausplatz zu wischen. Regula und Marcel vermeiden dann halt am Samstag, auf ihrem Hausplatz schmutzige Arbeiten auszuführen … oder wischen den Hausplatz nochmals … um die Arbeit von Ernst zu respektieren …
- Marcel und Regula möchten ihren Betrieb von Milchkuhhaltung auf Mutterkuhhaltung umstellen, denn melken … ja also melken war noch nie so richtig Marcels Sache. Wie sein Vater reagieren wird, weiss Marcel nur zu gut: „Mutterkühe? Ja geht es noch? Wo schon der Urgrossvater und der Grossvater bekannt für die Milchleistung ihrer Kühe waren?“ Und dann noch hornlos? usw. usw. Marcel und Regula verfolgen den “Mutterkuh-Gedanken“ lieber gar nicht weiter.
Geranien oder nicht, eingefettete Hufe oder nicht … weltbewegende Auswirkungen wird dies keine haben … jedoch mit der Zeit negative Auswirkungen auf das Wohlergehen von Regula und Marcel (da sie sich unter Umständen unbewusst nerven und unbewussten Druck der Eltern/Schwiegereltern spüren) und das friedliche Zusammenleben der Generationen.
Sind sich Regula und Marcel der „Es-war-schon-immer-so-Falle" nicht bewusst, kann dies bewirken, dass der Betrieb überlebenswichtige Entwicklungen mit weitreichenden finanziellen Folgen verpasst.