Zusätzliches "Fehlverhalten"
Die GESCHICHTE zeigt zusätzlich folgendes „Fehlverhalten“ der vier beteiligten „Parteien“ auf:
- Die Schwiegereltern sind von Anfang an so“fortschrittlich“ eingestellt, dass sie auf getrennte Küche und getrenntes Bad bestehen. Für diese moderne Einstellung erwarten sie (unbewusst) Anerkennung und Dankbarkeit. Sohn und Schwiegertochter geben diesem (unbewussten) Druck nach und bemühen sich, dankbar zu sein, indem sie Verhaltensweisen der Schwiegereltern akzeptieren, die mit dieser Dankbarkeit nichts zu tun haben (Chemie im Garten der Schwiegertochter, Gebrauch der Maschinen der jüngeren Generation ohne zu fragen). Sie stolpern in die „Dankbarkeitsfalle“.
- Die jüngere Generation muss, um ihre Wohnung zu erreichen, durch die Wohnung der älteren Generation laufen. Dies bedingt von der älteren Generation Verständnis und Toleranz. Dafür erwarten sie – obschon sie selber diese Verhältnisse geschaffen haben – Dankbarkeit. Auch hier stolpert die jüngere Generation in die „Dankbarkeitsfalle“. Zudem: Der gemeinsame Gebrauch von Räumlichkeiten (Waschraum, Werkstatt, Keller, Estrich, usw.) bietet grossen Raum für Konflikte.
- Für Marcel wie auch für Regula ist es sehr wichtig, dass die Eltern/Schwiegereltern auf dem Hof einen schönen Lebensabend verbringen. Sie übernehmen dafür (unbewusst) die Verantwortung und denken (unbewusst), dass dies erreicht werden kann, indem sie die Eltern/Schwiegereltern auf ihrem ehemaligen Betrieb machen lassen, was diese wollen. Jedoch: Kein Mensch kann einen anderen glücklich und zufrieden machen und schon gar nicht dadurch, dass er dem anderen keine Grenzen setzt.
- Marcel und Regula haben beide gelernt: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!“. Dies im Sinne von (unbewusst): „Du sollst deine Eltern ehren – um jeden Preis -, weil sie deine Eltern sind und daher unsäglich viel für dich getan haben, weil sie älter sind als du und deshalb viel mehr Erfahrung haben als du, weil sie viel mehr geleistet haben als du … Aus diesen Gründen dürfen deine Eltern in deinem Territorium machen, was sie wollen, sie dürfen dich auch behandeln, wie sie wollen, sie müssen dir keinen Respekt entgegen bringen … „ Sich selber respektieren Marcel und Regula durch ihr Verhalten nicht. Sie müssen umdenken lernen: „Du sollst dich selber respektieren und deinem Vater und deiner Mutter, allen deinen Mitmenschen und allen Tieren und Pflanzen Respekt entgegenbringen und diese alle sollen auch dir Respekt entgegenbringen“.
- Die Eltern/Schwiegereltern fordern (unbewusst) die Einhaltung des Gebotes: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!“ ein. Und dies nicht nur im Stöckli, ihrem Gartenanteil und ihrer Garage, sondern auf dem ganzen Hof. Sie erwarten Gehorsam und Respekt, denn den hat man nun mal seinen Eltern entgegen zu bringen. Es wird nie darüber gesprochen, wer was macht, wie man etwas macht. Eltern machen einfach keine Fehler. Eltern irren sich nie. Die (nie in Worten ausgedrückte) Botschaft ist eindeutig: Seid brav, seid folgsam, funktioniert einfach – so wie ihr es als Kinder tatet. Bleibt uns gegenüber Kinder. Und wenn ihr dies nicht tut, dann sind wir enttäuscht und verärgert, dann sind wir beleidigt. Dann ist der Friede im Haus dahin … und schuld daran seid ihr. Marcel und Regula müssen diese Haltung der Eltern/Schwiegereltern akzeptieren, denn ihre Eltern/Schwiegereltern ändern können sie nicht. Jedoch: In ihrem eigenen Geschäfts- und Privatleben dürfen sie diese Haltung nicht tolerieren
- Marcel und Regula lassen ihre Eltern/Schwiegereltern schalten und walten, wie sie wollen, weil Marcel und Regula der Friede in der Familie äusserst wichtig ist. Sie stolpern in die „Ewiger-Frieden-Falle“.
- Obschon Regula in ihrem Garten eigentlich gerne biologisch gärtnern würde, sagt sie nichts, wenn ihr Schwiegervater den Pflanzenschutz in ihrem Garten übernimmt. Sie stolpert in die „Sie-meinen-es-ja-nur-gut-Falle“.
- Auf lila Geranien vor ihren Fenstern zu verzichten, weil die Schwiegereltern rote und weisse Geranien wollen, ist in der Tat eine Kleinigkeit. Dabei handelt es sich – obschon dies ein Eingriff der Eltern/Schwiegereltern auf das Territorium von Marcel und Regula ist – nun wirklich nur um einen kleinen Verzicht. Was Marcel und Regula jedoch ausser Acht lassen, ist die Tatsache, dass aus „vielen kleinen Verzichten eine grosse Anpasserei“ werden kann.
- Indem Regula jedes Mal (ohne Worte) zurücksteht, wenn ihr Schwiegervater auf dem Hof gewisse Arbeiten ausführen will, lassen Marcel und Regula zu, dass ihr Vater/Schwiegervater auf ihrem Hof bestimmt, wann er welche Arbeiten ausführt. Nicht sie bestimmen, wer auf ihrem Hof was macht. Sie stolpern in die „Es-war-schon-immer-so-Falle“.
- Regula möchte dem Schwiegervater für seine regelmässige Mitarbeit auf dem Hof einen Lohn zahlen, weil sie das so richtig findet. Der Schwiegervater will jedoch keinen Lohn. Marcel gehorcht seinem Vater, weil er ja nicht will, dass dieser sich unwohl fühlt. Regula gibt nach. Für beide ist es wichtig, dass der Vater/Schwiegervater sich wohl fühlt. Ob Regula die getroffene Regelung entspricht, ist weniger relevant. Nicht Betriebsinhaber und Betriebsinhaberin bestimmen, wem sie wie viel Lohn zahlen, sondern der Abtreter. Zudem: Für das zwischenmenschliche Klima ist es gefährlich, regelmässige Mitarbeit nicht zu entlöhnen. Jeder Mensch erwartet für geleistete Arbeit Anerkennung, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist oder dies abstreitet. Lohn – auch ein „Vorzugslohn“ oder „Familienlohn“ - bedeutet nicht nur Anerkennung, sondern bedeutet auch, dass über die zu leistende Arbeit und den zu leistenden Lohn irgendwann einmal gesprochen wurde. Regelmässige Mitarbeit auf dem Betrieb oder im Haushalt anders als mit einem Lohn im für alle Beteiligten richtigen Mass zu anerkennen ist sehr schwierig.
- Die Eltern/Schwiegereltern erschweren oder verunmöglichen durch ihre Haltung die Einführung von Neuem auf dem Betrieb. Seit jeher ist in Spitzenzeiten die Schwiegermutter als Köchin eingesprungen – mit den Angestellten auswärts essen, das gibt es nicht! Ein neuer Stall, wenn der alte doch noch gut genug ist? Die Eltern/Schwiegereltern verstehen Neuerungen vor allem als persönliche Beleidigung und nicht als notwendig zur Erhaltung des Betriebes oder einfach als Freude an etwas Neuem. Marcel und Regula jedoch müssen (auf ihrem Territorium) ihren eigenen Weg gehen, auch wenn dies den Eltern/Schwiegereltern nicht gefällt und dieser Weg deshalb schwierig zu gehen ist.
- Auch wenn die Schwiegermutter mehr Erfahrung in Sachen Kindererziehung hat, ist Kindererziehung Sache der Eltern und nicht der Schwiegereltern/Grosseltern. Zudem sind „Erfahrungen“ oft nicht mehr zeitgemäss.
- Eltern/Schwiegereltern Steiner, Marcel und Regula sind der Meinung, dass es genügt, im Kaufvertrag alles möglichst genau festzulegen. Sie übersehen dabei, dass der Kaufvertrag auch von allen Beteiligten wirklich „gelebt“ werden muss: Die Verkäufer müssen „loslassen/nicht dreinreden“, die Käufer müssen „die Verantwortung übernehmen/führen/sich nicht dreinreden lassen“. Sie übersehen ebenfalls, dass beim Verkauf eines Bauernhofes der Kaufvertrag – unter anderem auch aufgrund des späteren sehr engen Zusammenlebens - viele „ungeschriebene“ Seiten enthält: sämtliche (unbewussten) Erwartungen der Eltern/Schwiegereltern ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter gegenüber und sämtliche (unbewussten) Erwartungen von Sohn und Schwiegertochter ihren Eltern/Schwiegereltern gegenüber.
- Dass die Eltern/Schwiegereltern auch nach dem Verkauf des Hofes weiterhin – ohne zu fragen – sämtliche Maschinen, Geräte und Werkzeuge des Hofes benutzen und weiterhin Zutritt zu sämtlichen Räumen des Hofes haben, zeigt, dass sie den Hof auf dem Papier übergeben haben, jedoch nicht „im Kopf“. Die Eltern/Schwiegereltern müssen – auch wenn dies sehr schwer fällt – fragen, wenn sie etwas brauchen wollen, das ihnen nicht mehr gehört, sie müssen fragen, wenn sie einen Raum betreten wollen, der ihnen nicht mehr gehört. Marcel und Regula ihrerseits müssen in Bezug auf ihre Maschinen, ihren Hof und ihre junge Familie ihre eigenen Regeln aufstellen und diese – auch den Eltern/Schwiegereltern gegenüber – durchsetzen. Sie müssen darüber sprechen, wer auf ihrem Betrieb wofür zuständig ist, wer auf ihrem Betrieb wo Zutritt hat, denn sie sind nun Betriebsleiter und Betriebsleiterin.
- Die Eltern/Schwiegereltern sind jedes Mal dabei, wenn Marcel und Regula privaten Besuch haben. Dies zeigt, dass es anstatt zwei Privatbereiche (Privatbereich Marcel und Regula und Privatbereich Eltern/Schwiegereltern) nur einen Privatbereich gibt: denjenigen der Eltern/Schwiegereltern. Dies ist auf die Dauer gefährlich für das friedliche Zusammenleben auf dem Hof.
- Die Zusammenarbeit auf einem Betrieb ändert sich im Laufe der Zeit, weil die jüngere Generation in der Führung des Hofes immer sicherer wird, weil für Futtermittelberater, Vertreter, usw. die jüngere und nicht mehr die ältere Generation Ansprechpartner ist, weil Gesetze und Vorschriften ändern. Für die ältere Generation ist es oft schwierig, all diese Änderungen zu akzeptieren. Sie fühlt sich nicht mehr gebraucht, sie weiss auch oft nicht, was mit sich anfangen, weil ihr einziger Lebensinhalt der Betrieb war. Und irgendjemand muss an diesen Veränderungen schuld sein, am besten jemand anders, denn dann muss man sich selber nicht ändern. Die Rolle des Sündenbocks (der Projektionsperson) fällt in diesem Zusammenhang oft der Schwiegertochter zu. „Denn bevor sie auf den Hof kam, war ja alles gut“.
- Die Schwiegertochter nimmt die Sündenbockrolle auf sich, weil sie zu wenig Selbstvertrauen hat, harmoniesüchtig ist … Jedoch: Sündenbockgehabe führt in eine Sackgasse.
- Beschimpfungen, Vorwürfe, Beleidigungen sind destruktiv und verschlimmern das Verhältnis zwischen den Generationen.
- Marcel vergisst, dass das Leben nicht nur aus „Fachproblemen“ (Rendite, Tiergesundheit, schlagkräftige Maschinen, usw.) besteht, sondern auch aus „Beziehungsproblemen“. Er lässt Regula mit diesen Beziehungsproblemen allein. Zusätzlich signalisiert er seinen Eltern durch sein Schweigen, dass sie Regula weiterhin – grundlos – angreifen und beleidigen dürfen. Er trägt durch seine Flucht vor Beziehungsproblemen in grossem Masse dazu bei, dass die Situation auf dem Betrieb immer unerträglicher wird.
- Regula verteidigt und rechtfertigt sich gegenüber ihren Schwiegereltern. Jedoch: Dies braucht sie nicht zu tun. Sie muss die Regeln der Schwiegereltern auf deren Territorium respektieren und beachten und sie muss (zusammen mit Marcel) dafür sorgen, dass die Schwiegereltern die Regeln der jungen Generation auf deren Territorium einhalten. Sie kann diese Regeln den Schwiegereltern gegenüber erklären, rechtfertigen dafür muss sie sich jedoch nicht.
- Regula denkt, dass die Schwiegereltern doch endlich gewisse Dinge einsehen und sich ändern sollten. Sie vergisst, dass sie nur sich selber ändern kann. Was sie eigentlich tun sollte ist, sich zu überlegen, wie sie ihr Privat- und Geschäftsleben gestalten will, dies ihren Schwiegereltern gegenüber kundzutun und dann auch durchzusetzen – wenn es nicht anders geht auch ohne die Hilfe von Marcel.
- Regula fühlt sich von ihrem Ehemann im Stich gelassen und wartet darauf, dass er sich seinen Eltern gegenüber endlich für sie und ihre Ehe einsetzt. Auch hier: Darauf kann sie lange warten. Das einzige, das sie tun kann, ist sich selber zu ändern und sich selber für ihre Anliegen einzusetzen.